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Müschhag (römischer Gutshof, Laufen)

Befund: Römischer Gutshof
Datierung: 1.-4. Jh. n. Chr. (gallorömisch)
Grabungen: 1917-1962 Alban Gerster in Etappen, 1933 Gerhard Bersu
Fundsammlung: Archiv der Archäologie Baselland



1917 entdeckte der Laufener Architekt Alban Gerster die Überreste eines römischen Gutshofs auf einem Stück Land der Tonwarenfabrik im Müschhag bei Laufen. Er führte in den Jahren 1917-1962 etappenweise Ausgrabungen auf dem Areal durch. 1933 fand die umfassendste Grabung unter Leitung von Gerhard Bersu statt, wobei insbesondere das Hauptgebäude vollständig freigelegt und ein Vorgängerbau aus Holz nachgewiesen wurde. Heute ist von der Bausubstanz des Gutshofes in situ nichts mehr übrig, sie wurde nach ihrer Dokumentierung durch den Abbau der darunterliegenden Tonschichten zerstört. Die zahlreichen Kleinfunde wurden durch Stefanie Martin-Kilcher im Auftrag des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern aufgearbeitet und publiziert und befinden sich heute im Museum Laufental.

Der Gutshof lag günstig in der Nähe der Römerstrasse und südlich eines Übergangs über die Birs. Das um 10-20 n. Chr. errichtete römische Holzhaus wurde wahrscheinlich um 60-70 n. Chr. durch das in Stein gebaute Hauptgebäude ersetzt. Die Portikusvilla mit seitlichen Annexbauten erhielt in späteren Bauphasen diverse Anbauten, welche zusammen mit einer Abschlussmauer schliesslich ein Peristyl bildeten. Die Villa verfügte über ein beheiztes Badehaus, eine Winterwohnung mit Bodenheizung, Fensterscheiben, vermutlich Mosaike, Wandmalereien sowie ein Leitungs- und Abwassersystem.
Zum Gut gehörten zudem drei grössere Ökonomiegebäude (nur zwei wurden ausgegraben), die als Gesindehaus, Geräteschuppen, Stallungen und Scheune gedient haben dürften. Eines der Nebengebäude stand neben Resten eines Vorgängerbaus aus Holz. Weiter verfügte der Hof über einen Sodbrunnen, einen Töpferofen und einen Ziegelofen. Ausserdem wurden Spuren von Eisenverhüttung und Schmiedehandwerk sowie von Knochen- und Hirschhornverarbeitung nachgewiesen. Der Gutshof wurde von einer Einfriedung aus Holz umschlossen, wie die Reste einer Palisade belegen.

Bedeutend sind die Kleinfunde von Laufen-Müschhag: Rund 3000 Keramikgefässe in mindestens 12'000 Fragmenten kamen zutage, davon 700 aus der hauseigenen Töpferei und 400 Terra sigillata. Es handelt sich um lokale wie auch z.T. von weither importierte Ware aus dem 1.-4. Jh. n. Chr. Ausserdem gab es einen Hortfund von eisernen Wagenbeschlägen (3. und 4. Jh.), eine Ansammlung von Beinnadeln, 18 Münzen, Fibeln, Lämpchen, eine Bronzestatuette (Jupiter), Werkzeuge aus Eisen und Bronze sowie Glasgefässe und Mosaiksteinchen.
Die Funde lassen darauf schliessen, dass der Gutshof zumindest im 3. und 4. Jh. eine gewisse Bedeutung besass. Ausserdem weist die Reihe der Keramik- und Münzfunde darauf hin, dass er während der Alemanneneinfälle im 3. Jh. n. Chr. nicht aufgegeben wurde. Eine solche Kontinuität konnte in der Region hier zum ersten Mal belegt werden.
Die Besiedlung setzte sich bis um die Mitte des 4. Jh. n. Chr. fort, möglicherweise auch länger. Aus dem späten 4., dem 5. und dem 6. Jh. sind allerdings keine Funde bekannt.
Im Mittelalter wurde die Villa vorübergehend anders genutzt: Vier Gräber mit Grabbeigaben aus dem 7. Jh. kamen in den Hypokausten-Zwischenräumen des Badetrakts zum Vorschein. Ob damals auch Leute – möglicherweise mit Verbindung zu einem in der Nähe der frühmittelalterlichen St. Martin-Kirche vermuteten Dinghof – in den alten Nebengebäuden wohnten, ist ungewiss. Das Fehlen von Funden aus den folgenden Jahrhunderten weist darauf hin, dass das Areal zu jener Zeit endgültig verlassen wurde.
In späteren Zeiten wurden die Gebäude als Steinbruch und Werkstoffquelle genutzt: Gleich neben dem Hauptgebäude stand ein mittelalterlicher Kalkofen, in dem eine Menge der römischen Bausubstanz als Rohstoff Verwendung gefunden haben dürfte.

Autor*in der ersten Version: Kiki Lutz, 02/07/2012

Letzte Änderung: 21/12/2021

Bibliografie

Andreas Cueni, Giuseppe Gerster, Markus Jermann, René Salathé, «Kultur- und Baudenkmäler im Laufental», in Das Schöne Baselbiet, Heft 15, 1994, S. 29
Alban Gerster, «Der römische Gutshof im Müschhag bei Laufen», in Helvetia archaeologica Heft 33, 9/1978, S. 2-66
Alban Gerster, «Die Römer in Laufen», in Albin Fringeli (Hg.), Laufen, Laufen erw. Auflage 1986, S. 332-335
Alban Gerster, «Eine römische Villa in Laufen (Berner Jura)», in Anzeiger für schweizerische Altertumskunde, Bd. 25, Heft 4, 1923, S. 193-204
Peter Hellinger, «Römische Spuren im Laufental», in Laufentaler Museumshefte, Nr. 11, 1998, S. 3-7
Reto Marti, Zwischen Römerzeit und Mittelalter : Forschungen zur frühmittelalterlichen Siedlungsgeschichte der Nordwestschweiz (4.-10. Jahrhundert), Liestal 2000, Bd. A, S. 183; 196; Bd. B. S. 123-125
Stefanie Martin-Kilcher, Die Funde aus dem römischen Gutshof von Laufen-Müschhag. Ein Beitrag zur Siedlungsgeschichte des nordwestschweizerischen Jura, Bern 1980

Mit freundlichen Hinweisen von Reto Marti, Kantonsarchäologe Kanton Basel-Landschaft

Bildnachweis

Luftaufnahme der Fundstelle nach der Freilegung. Bild: Archäologie und Museum Baselland.

Zitiervorschlag

Kiki Lutz, «Müschhag (römischer Gutshof, Laufen)», Lexikon des Jura / Dictionnaire du Jura (DIJU), https://www.diju.ch/d/notices/detail/1000359-muschhag-romischer-gutshof-laufen, Stand: 19/04/2024.

Kategorie

Archäologie
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