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Vertrag von Aarberg (9. Juli 1711)

Der Vertrag von Aarberg wurde am 9. Juli 1711 zwischen Bern und dem Bistum Basel abgeschlossen. Er besiegelte die Aufteilung des Münstertals (Pfarreigebiete der Propstei Moutier-Grandval) entlang einer konfessionellen Grenze. Der Nordteil des Gebiets (genannt «nid dem Felsen – sous les Roches») umfasste Courrendlin, Châtillon, Rossemaison, Vellerat, Corban, Courchapoix, Mervelier und Elay. Er wurde den Katholiken zugedacht, während im Südteil («ob dem Felsen – sur les Roches») nur noch Protestanten wohnen sollten.

Die Streitigkeiten zwischen Bern und dem Fürstbistum Basel waren nicht neu. Seit langem übte Bern starken Einfluss auf die Propstei aus, die seit 1486 im Burgrecht mit Bern stand und 1531 von der Reformation erfasst worden war. Bern bemühte sich, alle Rekatholisierungsversuche auf dem Gebiet zu verhindern und die Freiheiten, die sich die Münstertaler gegen den Fürstbischof erkämpft hatten, zu verteidigen.
Der Konflikt, der dem V. vorausging, nahm seinen Anfang bereits im Jahr 1705. Der damalige Bannerherr der Propstei, Henry Wisard (1650-1723), weigerte sich, dem neuen Fürstbischof Johann Konrad von Reinach den Treueid zu schwören. Er verwies auf das Burgrecht mit Bern, bezeichnete die Berner als «gütige Schirmherren» und verlangte die Anerkennung des bernischen Burgrechts und der Rechte und Freiheiten nach Herkommen und Gewohnheit für die Herrschaftsleute von Moutier-Grandval. Als sich der Fürstbischof dagegen verwehrte, verweigerten ihm die Münstertaler den Treueid. Der Bannerherr wurde daraufhin seines Amtes enthoben und vom Bischof zu mit einer schweren Busse behaftet.
Bern sah in dieser Strafe eine Verletzung des Burgrechts und reagierte sofort: Zunächst wurden zwecks einer Untersuchung Gesandte ins Münstertal und nach Pruntrut geschickt. Am 17. und 18. Januar 1706 versuchten die Berner Gesandten Lerber und Bucher, mit dem Fürstbischof zu verhandeln. Als diese Verhandlungen scheiterten, beschloss Bern, militärisch einzugreifen. 4000 Mann wurden aufgeboten und hielten sich für eine Invasion des Fürstbistums bereit. Unter diesem Druck lenkte der Fürstbischof schliesslich ein. Am 4. März 1706 anerkannte er das Burgrecht und Bern setzte den Bannerherr Wisard «durch Zwang» wieder ein. Weitere Streitpunkte blieben hingegen ungeklärt, insbesondere die Frage der indirekten Steuern (Akzisen). Bern schlug daher eine Konferenz in Nidau vor, um die offenen Fragen zu regeln. Der Fürstbischof konnte diesen Vorschlag aufgrund der militärischen Bedrohung nicht ablehnen.
Die beiden Konfliktparteien tagten vom 22. bis zum 30. März 1706 in Nidau. Das Resultat der Konferenz fiel ganz zugunsten von Bern aus. Die wichtigsten Punkte bestanden in der offiziellen Wiedereinsetzung von Wisard in Amt und Würden, der Bestätigung des Berner Burgrechts und der Befreiung der Münstertaler von den Akzisen. Die Frage der «ob dem Felsen» angesiedelten Katholiken wurde erst am letzten Tag gestreift. Bern gab sich damals mit einer Zusicherung des Fürstbischofs zufrieden, dass er auf eine Rekatholisierung der Propsteigebiete verzichten werde. Dennoch verlangte Bern gleich nach Unterzeichnung des Vertrags, dass alle «ob dem Felsen» wohnhaften Katholiken auszuweisen seien. Der Fürstbischof liess sich Zeit für eine Antwort und die Frage versandete, denn Bern war unterdessen mehr mit anderen Problemen in Zusammenhang mit Neuenburg beschäftigt.
Der Streit erwachte wieder, als der Pfarrer David Faigaux aus Bévilard von einigen Gemeindemitgliedern beschuldigt wurde, pietistisch zu sein. Der Pfarrer nahm Zuflucht beim Fürstbischof, der die Verfolger zu hohen Bussen verurteilte. Bern verlangte daraufhin das Recht, die Pfarrer in den Gemeinden bestimmen zu dürfen, sowie die Aussiedlung aller Katholiken aus dem Gebiet «ob dem Felsen». Der Fürstbischof stellte sich dagegen und suchte Unterstützung beim Kaiser und bei der Tagsatzung der katholischen Kantone, die sich aber gerade mit den Konflikten rund ums Toggenburg beschäftigte und das Problem daher nur am Rande wahrnahm.
Im April und Mai 1711 fanden Verhandlungen in Bern statt, die am 9. Mai 1711 scheiterten. Die Berner hatten die Verhandlungen verlassen, weil die bischöfliche Gesandtschaft auf die Forderung der Umsieldung der Katholiken nicht eingehen wollte. Erneut bereitete Bern einen militärischen Angriff vor. Als die Kantone der katholischen Tagsatzung jedoch dem Fürstbischof eine Truppe zur Verfügung stellten, willigte Bern in die Wiederaufnahme der Gespräche ein und setzte eine Konferenz für den 25. Juni in Aarberg an.
Die Gespräche verliefen in einem engen zeitlichen Rahmen und führten am 9. Juli 1711 zum Vertrag. Während der ganzen Verhandlungsdauer stand der Fürstbischof unter dem Druck der Bedrohung durch die bernischen Truppen an seinen Grenzen. Der Vertrag verfügte schliesslich, dass alle katholischen Familien das Gebiet «ob dem Felsen» verlassen mussten. Im Gegenzug errang der Bischof als einziger Erfolg gegenüber den Bernern, dass auch die wenigen reformierten Familien auf dem Gebiet «nid dem Felsen» ungesiedelt werden sollten.
Trotz Vertrag blieben einige Katholiken «ob dem Felsen» wohnen, was zu keinerlei weiteren Problemen führte. Am 4. März 1712 wurde die Münstertal-Frage schliesslich von der Traktandenliste des Berner Kleinen Rates gestrichen und danach vergessen – die kritische Situation im Toggenburg hatte sie nun gänzlich von der Bühne der politischen Aktualität verdrängt.

Autor*in der ersten Version: Emma Chatelain, 19/08/2014

Übersetzung: Kiki Lutz, 07/06/2019

Archivbestände

Der Vertrag existiert in zwei Exemplaren: Archiv des ehemaligen Fürstbistums Basel AAEB, cote B 245/23 und im Berner Staatsarchiv.

Bibliografie

Die Rechtsquellen des Kantons Bern, Teil I (Stadtrechte), IV/2, Aarau, 1956, Nr. 196, h: Aarberger Vertrag betr. das Münstertal, 1711, S. 954-961 (Veröffentlichung des Vertrags von Aarberg aus dem Staatsarchiv Bern)
Robert Stähli, Die Auseinandersetzung des Fürstbischofs von Basel mit Bern um das Münstertal (Berner Jura) 1706-1711, Bern, 1973 (mit kompletter Veröffentlichung des Exemplars des Vertrags aus dem AAEB)
Charles-André Simon, Le Jura protestant de la Réforme à nos jours, éd. jurassiennes de « La vie protestante », 1951
Robert Stähli, « Du différend entre le prince-évêque de Bâle et Berne au sujet de la prévôté de Moutier-Grandval », in ASJE, 1986, S. 51-59
David Joly, L'abbaye de Moutier-Grandval : mille ans d'histoire jurassienne, [Moutier], Municipalité de Moutier, 1999
Damien Bregnard, « La réformation des baillages méridionaux de l’Evêché de Bâle », in Jean-Claude Rebetez (éd.), Pro Deo : l'ancien évêché de Bâle du IVe au XVIe siècle, Pruntrut, Fondation des Archives de l'ancien Evêché de Bâle, 2006, S. 295-305
LICEH
, n° 38
, Juni 2007
http://www.query.sta.be.ch/detail.aspx?ID=28890
(10.3.2011)

Zitiervorschlag

Emma Chatelain, «Vertrag von Aarberg (9. Juli 1711)», Lexikon des Jura / Dictionnaire du Jura (DIJU), https://www.diju.ch/d/notices/detail/8056-vertrag-von-aarberg-9-juli-1711, Stand: 19/04/2024.

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