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Laufental, Kantonswechsel

Der frühere Berner Amtsbezirk Laufen, bestehend aus 13 Gemeinden (Blauen, Brislach, Burg im Leimental, Dittingen, Duggingen, Grellingen, Laufen, Liesberg, Nenzlingen, Röschenz, Wahlen, Zwingen und seit 1976 Roggenburg), wechselte am 1. Januar 1994 seine Kantonszugehörigkeit und wurde Teil des Kantons Basel-Landschaft. Diesem Kantonswechsel ging ein langer Prozess voraus, der seinen Ausgangspunkt in den politischen und geographischen Entwicklungen rund um die Abtrennung des Kantonsgebiets des Jura vom Kanton Bern hatte. Die Wahl des Beitrittkantons und der Übertritt erfolgten in einem Selbstbestimmungsverfahren anhand einer Reihe von Volksabstimmungen mit für Schweizer Verhältnisse aussergewöhnlich hoher Stimmbeteiligung.

Ausgangslage nach den Juraplebisziten

Bei der zweiten Volksabstimmung zur Jurafrage im Kanton Bern vom 1. März 1970, räumte das Berner Stimmvolk mit einem Zusatz zur Staatsverfassung den sieben jurassischen Bezirken das Recht ein, selbst über ihre politische Zukunft zu entscheiden. Der Amtsbezirk Laufen mit seinen ca. 15'000 Einwohner/innen erhielt innerhalb dieses Verfassungszusatzes das Recht zugesprochen, sich im Fall einer Abtrennung des Juras einem anderen benachbarten Kanton anzuschliessen.
Beim ersten Juraplebiszit vom 23. Juni 1974 stimmten die Laufentaler/-innen mit 4119:1433 Stimmen gegen eine Kantonsabtrennung des Jura. Dieser Volksentscheid eröffnete dem Bezirk Laufental gemäss dem Verfassungszusatz die Möglichkeit, sich einem dritten Kanton anzuschliessen.
Beim zweiten Juraplebiszit vom 14. September 1975 war das Szenario ähnlich: Vor die Wahl zwischen einer Zugehörigkeit zum Kanton Jura oder zum Kanton Bern gestellt, entschieden sich die Laufentaler/-innen mit 4216:264 Stimmen für Bern, hielten für sich hiermit aber auch jetzt die Möglichkeit einer dritten Kantonszugehörigkeit offen.

Als die Grenzen des künftigen Kantons Jura feststanden, war klar, dass der Bezrik Laufen zu einer Berner Exklave werden würde. Die Laufentaler/innen sahen sich nun vor die Wahl zwischen einem Verbleib in dieser Situation oder einem Beitritt zu einem der Kantone Basel-Landschaft, Basel-Stadt oder Solothurn gestellt.


Die Volksabstimmung vom 18. Juni 1978: Einleitung des Anschlussverfahrens
Im November 1977 wurde das im Verfassungszusatz von 1970 vorgesehene Volksbegehren zur Einleitung des Verfahrens auf Anschluss an einen benachbarten Kanton eingereicht. Die Initiative wurde von Leuten aus dem Umfeld des Komitees «Ja zur besten Lösung» lanciert und erhielt parteiübergreifend Unterstützung. Über 60% der Stimmberechtigten im Laufental hatten das Volksbegehren unterschrieben. Die Abstimmung wurde auf den 18. Juni 1978 festgelegt.
Unterdessen sprachen sich die Parlamente der in Frage kommenden Nachbarkantone Basel-Landschaft, Basel-Stadt und Solothurn jeweils einstimmig für die Bereitschaft zu einem allfälligen Anschlussverfahren aus.
Im Laufental hatte sich inzwischen eine freiwillige Bezirkskommission gebildet, die 1975 per Gesetz in ein offiziell gewähltes Gremium umgewandelt worden war. Sie vertrat das Laufental als politische Körperschaft bei der Einleitung und Durchführung des Anschlussverfahrens an einen benachbarten Kanton und war im Falle eines Verbleibs beim Kanton Bern mit der Ausarbeitung eines Sonderstatus für das Laufental beauftragt.
Die Befürworter eines Kantonswechsels argumentierten mit der geographisch und politisch isolierten Lage des Laufentals gegenüber dem übrigen bernischen Kantonsgebiet und bezeichneten den Zuschlag des Juras zum Kanton Bern durch den Wiener Kongress von 1815 als Fehler, den man bei dieser Gelegenheit korrigieren müsse. Sie wiesen darauf hin, dass ein Ja alle politischen Möglichkeiten in der Zukunft offenhielt.
Das gegnerische Lager setzte dem Komitee «Ja zur besten Lösung» den Solgan «Nein zur besten Auflösung» gegenüber und formierte sich zur «Vereinigung für eine gesicherte Zukunft des Laufentals».
Die Bezirkskommission trat mehrheitlich für ein Ja ein.
Die Initiative wurde mit 65% der Stimmen und in 12 Gemeinden angenommen. Nur in der Gemeinde Roggenburg, die erst 1976 vom Amtszbezirk Delsberg zum Bezirk Laufental gewechselt hatte, ergab sich ein Nein.

Ermittlung des Wunsch-Kantons - Volksabstimmungen 1980
Das weitere Abstimmungsverfahren sah vor, dass sich das Laufentaler Stimmvolk für einen der drei Nachbarkantone aussprechen sollte. Der gewählte Kanton sollte zuletzt dem Kanton Bern gegenübergestellt werden.
In der Abstimmung vom 13. Januar 1980 entschieden sich die Laufentaler/innen mehrheitlich für den Kanton Basel-Landschaft (52%), während sich Solothurn (32%) und Basel-Stadt (16%) die Stimmen der Minderheit teilten. 'In der Abstimmung vom 16. März 1980 wurde zwischen den Kantonen Basel-Landschaft und Solothurn gewählt. Wieder trug Baselland mit 65% der Stimmen den Sieg davon. Die Stimmbeteiligung lag bei 78%.
Der städtische Kanton Basel-Stadt, der rein geographisch gesehen gar kein "Nachbarkanton" war, zu dem aber die stärksten wirtschaftlich-sozialen Beziehungen der Laufentaler Bevölkerung bestanden, schied als erster aus. Gegenüber Solothurn führte das Probaselbieter Lager das Argument ins Feld, dass Basel-Landschaft der modernere, politisch und finanziell stärkere Kanton sei, ausserdem mit seinem ländlichen und doch industrialisierten Charakter dem Laufental vergleichbar. Zudem würden aufgrund der partnerschaftlichen Abkommen zwischen den beiden Basler Halbkantonen auf diese Weise die Beziehungen zum urbanen Zentrum Basel ebenfalls vorteilhaft geregelt. Die Wirkung des Laufentaler «Aktionskomitee pro Solothurn» blieb in diesem Abstimmungskampf dagegen eher schwach.

Der Laufentalvertrag
Die Bezirkskommission nahm daraufhin Verhandlungen mit einer Regierungsratskommission und einer Landratskommission des Kantons Basel-Landschaft auf, um einen Vertrag über die Aufnahme des bernischen Amtsbezirks Laufen in den Kanton Basel-Landschaft auszuarbeiten.
Dieser sog. Aufnahme- oder Laufentalvertrag regelte alle vom Kantonswechsel betroffenen Bereiche: Rechte und Pflichten der Bürgerinnen und Bürger, die Überführung der öffentlichen Institutionen und der Kantonsangestellten, die Einteilung in Verwaltungs- und Gerichtsbezirk und die Laufentaler Delegation im Baselbieter Landrat.
Am 10. Februar 1983 wurde der Vertrag von beiden Seiten unterzeichnet. Die Abstimmung darüber wurde auf den 11. September 1983 festgelegt. Es sollte aber noch 10 Jahre dauern, bis der darin vorbereitete Kantonswechsel auch wirklich vollzogen wurde.

Bern oder Baselland? - Die beiden laufentalpolitischen Lager
Nun stand wie vorgesehen die Frage "Bern oder Baselland?" zur Debatte. Der Abstimmungskampf wurde sehr intensiv geführt. Dabei standen sich das Probaselbieter Abstimmungskomitee «Ja zur besten Lösung» und die «Aktion Bernisches Laufental ABL» gegenüber. Beide Blöcke waren parteipolitisch durchmischt, jedoch mit der eindeutigen Tendenz des Probaselbeiter Lagers zur CVP und des probernischen zur FDP hin. In beiden Lagern gab es jedoch prominente Ausnahmen. Die SP war gespalten, hatte aber ohnehin kein vergleichbar grosses politisches Gewicht. Die SVP gab es damals im Laufental noch nicht.
Die Kampagnen wurden mit öffentlichen Veranstaltungen, Plakat- und Inserateaktionen und persönlichen Briefaktionen geführt. Regelmässig erschienen die Abstimmungszeitungen Mitenand für Baselland des Komitees «Ja zur besten Lösung» und Die Entscheidung der ABL. Ebenso wurde die Laufentaler Presse miteinbezogen: Die CVP-nahe Nordschweiz wurde Sprachrohr für die Probaselbieter; der freisinnige Volksfreund für die Proberner.
Es wurden hauptsächlich folgende Argumente ins Feld geführt:
Pro Basel-Landschaft: Der Gegensatz zwischen der bestehenden natürlichen Integration des Amtsbezirks in der Region Nordwestschweiz (geographisch, sozial, historisch-kulturell, wirtschaftlich und verkehrstechnisch) und der politischen Zugehörigkeit zu Bern, der durch das Sonderstatut und andere Spezialregelungen nur unbefriedigend überbrückt wurde; Attraktivität des Kantons Basel-Landschaft hinsichtlich Steuern, Schulsystem, Kantonsspital, Wirtschaftsförderung, Gemeindeautonomie, grösseres politisches Gewicht des Laufentals in der Kantonspolitik, grosszügiges und einfaches Verfahren für den Übertritt.
Pro Bern: Das Sonderstatut als Garantie für Eigenständigkeit; Weiterführung des Partnerschaftsgedankens in der Region; Nachteile des Kantons Basel-Landschaft hinsichtlich Agglomerations-Bauordung, Mittelschulen, Selbstbestimmung in Bezirksfragen, Sozialhilfe etc.; Minderheitsproblem des katholischen Laufentals im reformierten Baselland; Sicherheit und Vertrautheit mit den Gegebenheiten im Kanton Bern, womit man bis anhin gut bedient war; Mängel im Laufentalvertrag.
Fast die gesamte Bevölkerung nebst Vereinigungen, Kirchen, Firmen und Institutionen beteiligten sich lebhaft und prüften alle möglichen Lebensbereiche genauestens, z.B. Steuerbelastung, Schulsystem, Gesundheitswesen bis hin zu Details wie den sonntäglichen Öffnungszeiten der Bäckereien - welche offensichtlich eher für den Kanton Bern sprachen.
Besonders das berntreue Lager trat mit einer emotional geführten Abstimmungskampagne stark auf. Dabei spielte das sog. «rote Büchlein» eine prägende Rolle - eine, wie sich später herausstellte, vom Kanton Bern heimlich mitfinanzierte Propagandaschrift. Die Probaselbieter waren in diesem intensiv geführten Abstimmungskampf schliesslich unterlegen.

Die Abstimmung vom 11. September 1983
Die Stimmbürger/innen des Laufentals lehnten den Aufnahmevertrag zum Kanton Basel-Landschaft mit 56.7% gegen 43.3% deutlich ab. Damit sprachen sie sich für einen Verbleib beim Kanton Bern aus. Die Stimmbeteiligung betrug rekordverdächtige 93%. Nur vier der 13 Gemeinden des Bezirks nahmen den Vertrag an (Blauen, Dittingen, Grellingen, Nenzlingen).
Am gleichen Tag stimmte die Baselbieter Stimm-Bevölkerung dem Laufentalvertrag zu. Die gesamte Baselbieter Regierung und die grosse Mehrheit des Landrates standen ebenfalls hinter diesem Entscheid.


Weiterführung des Kampfes
Für den weiterhin bernischen Bezirk Laufen trat 1984 das sog. Sonderstatut in Kraft, das besondere Mitwirkungsrechte des Laufentals in der Berner Kantonspolitik ermöglichte. Doch das Probaselbieter Lager gab sich damit nicht zufrieden: Am 11. Mai 1984 wurde die Laufentaler Bewegung LB gegründet. Sie beabsichtigte, die politische Integration des Laufentals in der Nordwestschweiz trotz verlorener Abstimmung weiter voranzutreiben. Diese Bewegung pflegte einen volksnaheren Stil als die Vorgängerorganisation «Ja zur besten Lösung». Durch ihr Organ dr Laufetaler entfaltete sie eine beachtliche Propagandawirkung. Doch das Probaselbieter Lager erhielt durch den folgenden Skandal erst recht Aufwind.


Die Finanzaffäre

(S.a. Hauptartikel: Berner Finanzaffäre)
Am 22. August 1984 reichte der Berner Finanzrevisor Rudolf Hafner beim Grossen Rat eine Aufsichtsbeschwerde gegen den Berner Regierungsrat ein. Die daraufhin eingesetzte Besondere Untersuchungskommission BUK berichtete am 31. August 1985, dass die ABL während des Abstimmungskampfes in den Jahren 1980-1984 heimlich insgesamt CHF 273'281.- Unterstützungsgelder aus dem Berner Lotteriefonds erhalten hatte, nebst CHF 60'000.- , die schon kurz vor der Abstimmung bekannt geworden waren. Die Gelder waren ohne gesetzliche Grundlage oder öffentliche Bekanntmachung geflossen, zudem vor dem Hintergrund einer von Berner Regierungsrat Werner Martignoni mitunterzeichneten Vereinbarung mit dem Kanton Basel-Landschaft, worin sich die beiden Kantone verpflichteten, keine Einflussnahme auf die Selbstbestimmung des Laufentals auszuüben (Absichtserklärung der Regierungsräte Bern und Basel-Landschaft vom 22./23. Juni 1982). Diese Enthüllungen führten zu Protestdemonstrationen sowie zu Forderungen nach einer Wiederholung der Abstimmung und nach dem Rücktritt von Werner Martignoni.

Am 3. September 1985 reichten fünf Laufentaler Stimmbürger eine Abstimmungsbeschwerde beim Grossen Rat in Bern ein. Sie wurde am 18. November 1985 abgewiesen, mit der Begründung, dass die Frist für Beschwerdeneingaben bereits abgelaufen war. Allerdings waren die Geldzahlungen bei Ablauf der Frist noch nicht bekannt gewesen. Die Eingabe des Bezirksrats zu einer vertieften Untersuchung und die verschiedenen Vorstösse seitens einzelner Ratsmitglieder zeitigten vorerst ebenfalls keine Wirkung.

 

Urteile des Bundesgerichts
Die LB focht die Abweisung mit einer staatsrechtlichen Beschwerde beim Bundesgericht an, die am 18. März 1987 gutgeheissen wurde. Der Grosse Rat musste nun nach einem Wiedererwägungsgesuch auf die Beschwerde eintreten. In der Urteilsbegründung bezeichneten die Bundesrichter die Einflussnahme des Kantons Bern auf die Stimmberechtigten als erheblich.
Am 3. November 1987 lehnte die bürgerliche Mehrheit des Grossen Rates die Beschwerde auf Antrag des Regierungsrates und der Justizkommission ab und löste damit bei den Probaselbietern im Laufental Empörung aus.
Die LB gelangte daraufhin mit einer erneuten staatsrechtlichen Beschwerde ans Bundesgericht und machte geltend, der Kanton Bern habe widerrechtlich Einfluss auf die Meinungsbildung im Laufental genommen. Mit sechs zu einer Stimme hiess das Bundesgericht die Beschwerde am 20. Dezember 1988 gut und verfügte, dass die Abstimmung vom 11. September 1983 wiederholt werden musste.


Die zweite Laufental-Abstimmung vom 12. November 1989

Der Urteilsspruch des Bundesgerichts eröffnete sogleich einen neuen Abstimmungskampf, der bald schon vergleichbare Ausmasse mit der heftigen Debatte von 1983 annahm. Beiden Lagern gelang es, bei Kampagnenveranstaltungen grosse Massen zu mobilisieren und sie nahmen zunehmend den Charakter von Volksbewegungen an. Das Probaselbieter Lager wollte auf keinen Fall wieder zu leise treten und die Berntreuen gaben dem in nichts nach. Viele Bewohner/innen des Laufentals gaben ihrer Einstellung durch das Hissen der jeweiligen Kantonswappen-Flagge im Hausgarten Ausdruck.
Auf behördlicher Ebene wurde am 12. Mai 1989 ein Ergänzungsvertrag zum Aufnahmevertrag verabschiedet, unterzeichnet von zwei kantonalen Delegationen und dem Bezirksrat Laufental. Darin wurde bestimmt, dass der Kanton Basel-Landschaft alle bis zum Übertrittsdatum eingegangenen Verpflichtungen des Kantons Bern gegenüber dem Laufental übernehmen sollte. Am selben Tag wurde das Datum für die Wiederholung der Abstimmung auf den 12. November 1983 festgelegt. Eine staatsrechtliche Prüfung ergab, dass die Abstimmung von 1983 im Kanton Basel-Landschaft nicht vom Urteil des Bundesgerichts betroffen gewesen war und deshalb auch nicht wiederholt werden musste.
Die zweite Laufental-Abstimmung am 12. November 1989 über die Frage: "Wollt Ihr Euch aufgrund des vereinbarten Vertrages dem Kanton Basel-Landschaft anschliessen?" fiel  zugunsten eines Kantonswechsels aus (mit 51.7% Ja-Stimmenanteil). Dabei hatte die Stadt Laufen sich für Bern entschieden, wenn auch knapper als 1983. Insgesamt stimmten acht der 13 Gemeinden für den Kantonswechsel, darunter vier, die gegenüber 1983 die Seite gewechselt hatten (Burg i. L., Duggingen, Liesberg, Röschenz). Die Stimmbeteiligung lag mit 93,6% sogar noch höher als beim ersten Mal.

Erneute Beschwerdeführung
Die ABL kündigte bereits tags darauf am 13. November 1989 eine Beschwerde gegen das knappe  Abstimmungsresultat an und forderte eine Überprüfung des Stimmregisters und der Wahlausweise mit der Begründung, das Stimmvolk sei auf unzulässige Weise beeinflusst worden. Dabei spielte vor allem das Versprechen einiger Laufentaler Gewerbetreibenden eine Rolle, die ihren Mitarbeiter/innen bei einem Ja-Ergebnis einen arbeitsfreien Abstimmungsmontag versprochen hatten.
Unterdessen formierten sich die beiden gegnerischen Blöcke als «Vereinigung Berntreuer Laufentaler VBL» und im Koordinationsausschuss «Laufental 91» des Probaselbieter Lagers neu.
Bei den Berner Behörden gingen fristgemäss zwei Beschwerden und ein Gesuch um Nachzählung ein. Das Resultat der Nachkontrolle wurde am 1. Dezember 1989 bekanntgegeben: Es gab keine Unregelmässigkeiten.
Am 5. Februar 1990 annullierte der Berner Grosse Rat mit 102:78 Stimmen die zweite Laufental-Abstimmung, indem er die Beschwerden entgegen der Anträge von Kantonsregierung und Justizkommission guthiess.

Daraufhin wurde erneut das Bundesgericht eingeschaltet, das diesen Grossratsentscheid als nicht stichhaltig abwies und die Vorinstanz anwies, die Abstimmung für gültig zu erklären.
Am 22. September 1991 fand im Kanton Basel-Landschaft die Abstimmung über die Anpassungsbestimmungen des Laufentalvertrags statt. Die Vorlage wurde nach heftig geführtem Abstimmungskampf mit fast 60% Ja-Stimmen angenommen. Die anschliessenden Beschwerden wegen Unregelmässigkeiten wurden vom Basellandschaftlichen Verwaltungsgericht und auch vom Bundesgericht (Urteil vom 11. November 1992) als unbegründet abgewiesen.

Der Kantonswechsel wird vollzogen
Die Regierungen der beiden Kantone nahmen nun unter Anhörung des Bezirksrats Verhandlungen für den administrativen Übergang des Amtsbezirks Laufen auf und erstellten ensprechende Rahmenvereinbarungen.
Am 27. Januar 1993 veröffentlichte der Bundesrat seine Laufental-Botschaft mit den beiden Vorlagen «Bundesbeschluss über den Anschluss des bernischen Amtsbezirks Laufen an den Kanton Basel-Landschaft» und «Bundesbeschluss über die Gewährleistung der geänderten Verfassung des Kantons-Basel Landschaft». Darin wurde eine eidgenössische Volksabstimmung über den Kantonswechsel verlangt. Die beiden Räte stimmten mit 26:0, bzw. 31:0 Stimmen (Ständerat) und 124:23, bzw. 125:8 Stimmen (Nationalrat) den beiden Vorlagen zu.
Am 26. September 1993 stimmte das Schweizer Volk dem Bundesbeschluss über den Anschluss des bernischen Amtsbezirks Laufen an den Kanton Basel-Landschaft mit 75,2% Ja-Stimmen zu. Die Stimmbeteiligung betrug 39%.
Am 1. Januar 1994 wurde das Laufental zum 5. Bezirk des Kantons Basel-Landschaft, neben Arlesheim, Liestal, Sissach und Waldenburg.
Der Kantonswechsel wurde in den folgenden zehn Jahren von einer eigens dafür geschaffenen Rechtspflegekommission begleitet, welche verschiedentlich aufkommende rechtliche Fragen bei Umsetzung des Kantonswechsels klärte. Die weitere Eingliederung des neuen Bezirks erfolgte ohne grössere Probleme.

Autor*in der ersten Version: Kiki Lutz, 29/09/2010

Letzte Änderung: 03/12/2015

Archivbestände

Staatsarchiv BL, PA 6198 Laufentaler Bewegung, PA 62 Laufentaler Komitee "Jo zum Baselbiet", PA 6120 Baselbieter Laufentalkomitee, VR 3003 Bezirksrat Laufental

Bibliografie

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Heinz Buser et al., Beschlüsse, Bilanzen, Bilder. Dokumente zum Kantonswechsel des Laufentals 1970-2003, Liestal 2004

Andreas Cueni, «Entscheid um 0,2 Prozent Schweiz, in Andreas Cueni (Hg.), Lehrblätz Laufental, Zürich 1993, S. 5-8

Anna C. Fridrich, «Laufen (BL, Bezirk)», in Historisches Lexikon der Schweiz [Online-Version], Stand vom 23.08.2010

Werner A. Gallusser, «Das Laufental als Heimat der Bevölkerung und regionale Wirklichkeit», in Andreas Cueni (Hg.), Lehrblätz Laufental, Zürich 1993, S. 11-28
Christian Jecker, «Vom Musterfall zum Skandal. Die Geschichte des Selbstbestimmungsverfahrens des Bezirks Laufen 1970 bis 1988», in Andreas Cueni (Hg.), Lehrblätz Laufental, Zürich 1993, S. 31-45
Beat Junker, Der Kantonswechsel des Laufentals, in Historischer Verein des Kantons Bern (Hg.), Geschichte des Kantons Bern seit 1798. Bd. III Tradition und Aufbruch 1881-1995, 2008. [Online-Version: http://www.hvbe.ch/geschichte.html], Stand vom 23.08.2010
Paul Richli, Aufnahme des Laufentals in den Kanton Basel-Landschaft. Der Beitrag der Rechtspflegekommission und ihres Präsidenten, Liestal 2003





Zitiervorschlag

Kiki Lutz, «Laufental, Kantonswechsel», Lexikon des Jura / Dictionnaire du Jura (DIJU), https://www.diju.ch/d/notices/detail/7870-laufental-kantonswechsel, Stand: 19/04/2024.

Kategorie

Politik
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