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Front de libération jurassien (FLJ)

Der Front de libération jurassien FLJ (= Jurassische Befreiungsfront / auch Front de libération du Jura genannt) wurde 1962 von Marcel Boillat, Gastwirt aus Sornetan, und Jean-Marie Joset gegründet. Später stiess Pierre Dériaz dazu. Bis ins Jahr 1964 verübte der FLJ mehrere Anschläge im Zusammenhang mit der Jurafrage (s. S. 2).

Anfang 1964 wurden vier junge Separatisten verhaftet und heimlich, ohne Kontakt zu einem Anwalt, während fast zwei Monaten festgehalten. Erst im März 1964 wurden diese sog. 'innocents von Courfaivre' (= Unschuldige von Courfaivre) infolge der Verhaftung der wirklichen Attentäter auf freien Fuss gesetzt. Der Prozess fand im März 1966 in Lausanne statt. Marcel Boillat wurde zu acht, Jean-Marie Joset zu sieben und Pierre Dériaz zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Am 18. Februar 1967 brach Marcel Boillat aus dem Gefängnis von Crêtelongue (VS) aus. Er entkam nach Spanien, wo ihm General Franco politisches Asyl gewährte.

Nach Prozessbeginn im März 1964 gründeten Lucien Meyrat und Jean-Louis Mettler aus Moudon die « Société de secours aux militants victimes de la lutte pour la patrie jurassienne » SSVJ (=Hilfeorganisation für die militanten Opfer des Kampfes für das jurassische Vaterland). Sie kümmerten sich in erster Linie um die Finanzierung der Honorare für die Anwälte der Verteidigung: Raymond Nicolet, André Manuel, Bruno Keppeler et Me Lüthy. Diese Spendenaktion wurde von den Sektionen des Rassemblement jurassien RJ unterstützt.

Im November 1965 kam es zu einer zweiten Serie von Anschlägen, genannt: « 2e FLJ ». Urheber waren Jean-Baptiste Hennin und Imier Cattin, die im Juni 1966 verhaftet wurden. Am 16. Oktober 1966 entwich Jean-Baptiste Hennin aus der psychiatrischen Klinik von Marsens (FR). Am 3. Juli 1967 verweigerte Frankreich seine Auslieferung und gewährte ihm politisches Asyl. Imier Cattin wurde am 15. Januar 1969 zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

Die Anschläge des FLJ fanden in einer verhärteten Phase des Jurakonflikts während der 1960er-Jahre statt. Bern und das antiseparatistische Lager sahen im Resultat der Abstimmung von 1959 eine klare Legitimation ihrer Politik und nahmen gegenüber den Separatisten eine immer kompromisslosere Haltung ein. Durch die Demonstration von Les Rangiers (1964) wurde das Problem definitiv auf die nationale Ebene verlagert.

Auf Seiten der Antiseparatisten fiel die Verurteilung der Anschläge des FLJ notwendig sehr streng aus. Am 9. September 1963 gründeten sie das Comité jurassien de vigilance démocratique und sie liessen es sich in der Folge nicht nehmen, den Anführern der Separatisten ein heimliches Einverständnis mit den Mitgliedern des FLJ vorzuwerfen.

Auf separatistischer Seite war die Haltung dazu eher doppeldeutig. Zwar beeilte man sich, jede Verbindung mit dem FLJ und jede Verantwortung für dessen Aktionen abzulehnen, aber man beteiligte sich bereitwillig an der Spendenaktion zur Verteidigung der Angeklagten. Später intervenierte Roland Béguelin vom Rassemblement Jurassien RJ sogar persönlich zugunsten von Jean-Baptiste Hennin in Paris. 1987 wurde Marcel Boillat bei seiner ersten Rückkehr in die Schweiz seit seiner Flucht am Volksfest 'Fête du peuple' als Redner zugelassen.


Durch den FLJ verübte Anschläge

- 2.-3. September 1962: Berner Wappen in Aesch, Brislach, Lucelle, beim Denkmal 'La Sentinelle' auf Les Rangiers und im Tal von Delsberg werden durch Schmierereien verunstaltet.

- 21. Oktober 1962: Erster Brandanschlag auf eine Militärbaracke bei Les Auges zwischen Saignelégier und Goumois.

- 28. Oktober 1962: Weitere Schmierereien (Initialen des FLJ) auf der Landstrasse in Courrendlin

- 1. März 1963: Este Erklärung des FLJ

- 26.-27. März 1963: Brandstiftung am Bauernhof 'Les Joux-Derrère' in den Freibergen

- 18. Juli 1963: Brandstiftung am Bauernhof 'Sous-la-Côte'

- 5. Oktober 1963: Sprengstoffanschlag auf die Liegenschaft des Ständerates Charles Jeanneret in Mont-Soleil

- 23. Dezember 1963: Sprengstoffanschlag auf das Sägewerk von Marc Houmard, (Präsident der antiseparatistischen Union des Patriotes jurassiens UPJ), in Malleray

- 27.-28. Februar 1964: Sprengstoffanschlag auf die SBB-Eisenbahnlinie bei Studen

- 12. März 1964: Sprengstoffanschlag auf die Filiale der Berner Kantonalbank in Delsberg.


Verhaftungen und Strafen:

- 25. März 1964: Verhaftung von Marcel Boillat und Jean-Marie Joset

- 31. März 1964: Verhaftung von Pierre Dériaz

- 1965: Freilassung auf Bewährung von Pierre Dériaz

- 18. März 1966: Urteil des Bundesgerichts: acht Jahre Gefängnis für Boillat, sieben für Joset und eines für Dériaz

- 18. Februar 1967: Flucht von Marcel Boillat aus Crêtelongue (VS) nach Spanien. Gewährung des politischen Asyls durch General Franco.

- 5. Dezember 1967: Festnahme von Lucien Meyrat, der die Flucht von Marcel Boillat und Jean-Baptiste Hennin organisiert hatte.

- 23. November 1968: Freilassung von Joset, der seine Strafe in der Strafvollzugsanstalt Bochuz abgessessen hat.

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Der 2e FLJ (1965)

- 4.-5. März 1966: Anschlag auf ein Lokal der kantonalen Verwaltung in Delsberg mit einem Molotow-Cocktail.

- Mitte März 1966: Zwei mit Benzin gefüllte Autoreifen werden aus einem Fenster des Zeughauses in Glovelier geworfen ' keine Schäden.

- April 1966: Brandanschlag auf das Restaurant du Mont-Crosin

- Mai 1966: Brandanschlag auf das Hôtel du Cerf in Seignelégier

- Brandanschlag auf die Kegelbahn 'l'aplaventriste' von Willy Frésard in Bémont

- Juni 1966: Verhaftung von Jean-Baptiste Hennin (gestorben 1981) und Imier Cattin

- 16. Oktober 1966: Flucht von Jean-Baptiste Hennin

- 3. Juli 1967: Frankreich verweigert die Auslieferung von Jean-Baptiste Hennin und gewährt ihm politisches Asyl.

Autor*in der ersten Version: Emma Chatelain, 11/05/2010

Übersetzung: Kiki Lutz, 07/06/2010

Archivbestände

« Chronologie jurassienne Denis Moine » (Mémoire d'Ici, St-Imier ; ARCJ, Porrentruy)

Bibliografie

Bernard Voutat, « Front de libération jurassien », in Dictionnaire historique de la Suisse [publication électronique DHS], version du 11.2.2005

Jean-Marie Joset, Histoire et procès du Front de libération jurassien, Delémont, 1967

Gilbert Ganguillet, Le conflit jurassien. Genèse d'un conflit ethno-régional, Zurich, 1998, S. 142-145, 150

Marcel Boillat, Signé FLJ. Sans morts, l'émergence d'un Etat, Lausanne, 1998

Marcel Brêchet, Les années de braise, Delémont, 2003

Alain Pichard, La Question jurassienne, Lausanne, 2004, S. 58-60

Emma Chatelain, « Nous sommes des hommes libre sur une terre libre ». Le mouvement antiséparatiste jurassien (1947-1975), son idéologie et ses relations avec Berne, Neuchâtel, 2007, S. 111-113

Zitiervorschlag

Emma Chatelain, «Front de libération jurassien (FLJ)», Lexikon des Jura / Dictionnaire du Jura (DIJU), https://www.diju.ch/d/notices/detail/7145-front-de-liberation-jurassien-flj, Stand: 19/04/2024.

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