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Longines

1867 baute Ernest Francillon auf einem Grundstück namens «Longines» in Saint-Imier eine Uhrenmanufaktur. Damals leitete Francillon bereits seit 1854 eine Uhrenfabrik, die 1833 von seinem Onkel Auguste Agassiz gegründet worden war. Die von Ingenieur Jacques David mit Maschinen des Mechanikers Edouard Chatelain ausgestattete L., gilt als erste mechanisierte Fabrik der Region.
Die L. startete mit 6 Angestellten und beschäftigte im Jahr 1906 bereits 910 Personen. In diesen Zahlen spiegelt sich eine allgemeine Tendenz um die Jahrhundertwende wider, die weg von der Heimarbeit und hin zu einer Konzentration der Arbeitsplätze in den Fabriken führte.
In den ersten zehn Jahren durchlief die L. finanziell schwierige Zeiten. Es dauerte länger, bis die Investition in die aufwendige Mechanisierung amortisiert werden konnte. 1878 schrieb das Unternehmen zum ersten Mal schwarze Zahlen. Longines-Uhren verkauften sich damals in ganz Europa, in Afrika und in Amerika. Um 1879 erweiterte die L. die Produktion, um der wachsenden Nachfrage nachzukommen.
Im Sommer 1880 fiel der Beschluss, die L. von einer Kommanditgesellschaft in eine Kollektivgesellschaft umzuwandeln, unter Weiterführung des damaligen Firmennamens «Ernest Francillon». 1883 wurde sie in «Ernest Francillon & Cie» umbenannt, um den Vorschriften des eidgenössischen Obligationenrechts zu genügen.
Um 1895 wechselte die Rechtsform erneut und die L. wurde zur Kommanditaktiengesellschaft. Gesellschafter mit unbeschränkter Haftung waren Ernest Francillon, Jacques David und Ernest-Etienne Francillon, der Sohn des Gründers. Letzterer kam 1899 bei einem Reitunfall ums Leben.
Nach dem Tod des Gründers wurde die Firma um 1900 in «Fabrique des Longines, Francillon & Cie» umbenannt und von Jacques David, Baptiste Savoye und Louis Gagnebin weitergeführt.
Ab Ende der 1890er Jahre verliessen sich die grossen Forschungsreisenden vermehrt auf die Zeitmesser von L. als Begleiter für ihre Expeditionen. In derselben Zeit kamen die Chronographen mit elektrischer Schaltung für Sportanlässe auf. 1912 stattete L. das eidgenössische Turnfest mit Zeitmessern aus, später auch Pferderennen und Autorennen. In den 1930er Jahren übernahm L. auch die Zeitmessung der Rennen des Internationalen Skiverbands und des Internationalen Athletikverbands; 1952 dann die Olympischen Spiele in Oslo. 1972 gründete L. zusammen mit Omega und dem Verband der Schweizerischen Uhrenindustrie die Organisation «Swiss Timing».
Am 27. April 1915 wurde die Aktiengesellschaft mit Namen «Fabrique des Longines, Francillon & Co, SA» gegründet. Ein Verwaltungsrat mit 5-9 Mitgliedern überwachte die Geschäfte, Verwaltungsratspräsident Baptiste Savoye war gleichzeitig Generaldirektor. Sein Sohn, Maurice Savoye, übernahm die kaufmännische und Alfred Pfister die technische Leitung. Die beiden anderen Mitglieder des ehemaligen Führungstrios, Jacques David und Louis Gagnebin waren bereits 1912 bzw. 1914 verstorben.
Um die Absatzschwierigkeiten während des Ersten Weltkriegs auszugleichen, verlegte L. sich auf die Kompass-Herstellung. Nach dem Krieg ging es mit der Wirtschaft wieder bergauf und L. beteiligte sich während der 1920er Jahre an der Weiterentwicklung der Flugtechnik. 1925 richtete die Firma für ihre Angestellten einen Pensions-, Alters- und Invaliditätsfonds ein. Nach Baptiste Savoyes Tod 1927 übernahm eine Zweier-Direktion mit Alfred Pfister und Maurice Savoye die Leitung der Geschäfte.
Ende der 1920er Jahre wurde die gesamte schweizerische Uhrenindustrie von der Weltwirtschaftskrise erfasst. Das Gesamtvolumen der Uhrenexporte sank von CHF 307 Mio. um 1929 auf CHF 86 Mio. im Jahr 1932. Auch L. durchlief schwierige Zeiten und versuchte die Krise mit Sparmassnahmen aufzufangen. Die Folge davon waren eine gedrosselte Produktion, Entlassungen, Kurzarbeit etc. Erst 1936 verbuchte L. wieder einen kleinen Gewinn.
Um auf dem für die Exporte in die USA wichtigen englischsprachigen Markt besser bestehen zu können, änderte L. den Firmennamen 1937 in «Compagnie des Montres Longines, Francillon SA» bzw. «Longines Watch Co, Francillon Ltd.»
Während des Zweiten Weltkriegs und unmittelbar danach stiegen die Schweizer Uhrenexporte stetig an. L. erhielt zahlreiche Aufträge von Armeen, darunter Kaliber 12-Armbanduhren für Frankreich und Kaliber 15-Zeitmesser für die tschechische Armee. Mehr als die Hälfte der Exporte gingen fortan in die USA. Die L. befand sich in einer komfortablen finanziellen Lage und konnte 1942 einen Familienhilfsfonds einrichten. Nach dem Krieg erforderte die stetig weiter wachsende Nachfrage und Produktion eine Erweiterung der Firmengebäude.
Nach einigen Restrukturierungsmassnahmen und der Gründung der Holding «Longines SA» im Januar 1970 wurde die L. 1983 in die ASUAG-SSIH-Gruppe integriert (ab 1985 SMH, heute Swatch Group).
Von 1973 bis 1984 durchlief die Schweizer Uhrenbranche eine Zeit der Rezession, während gleichzeitig die amerikanische und japanische Konkurrenz immer stärker wurde. Die Arbeitslosigkeit unter den Uhrenarbeitern/-innen stieg stark an, zwischen 1970 und 1984 verloren 65% ihre Stelle. Trotzdem gelang es der L. in dieser Zeit, sowohl die Produktion wie auch die Anzahl der Angestellten auf Niveau zu halten.
Erst die internen Restrukturierungen der SMH-Gruppe änderten dies. 1984 stellte L. die Herstellung von Uhrwerken ein und verlor ihren Status als Uhrenmanufaktur. 1988 beschloss die SMH, auch die Bereiche der Assemblage und Einschalung zu verlagern, was 150 Angestellten in Saint-Imier den Arbeitsplatz kostete. Der Entscheid provozierte eine breite Protestwelle. Zunächst demonstrierten die Uhrenarbeiter/innen vor dem Kantonsparlament. Am 26. Feburar 1988 beteiligten sich Behörden und Bevölkerung der Gemeinde an Demonstrationsumzügen in den Strassen. Die L. konzentrierte sich nunmehr auf die kaufmännischen Bereiche Verkauf, Marketing und Sponsoring. Die Folgen dieses Wechsels für Wirtschaft und Gesellschaft in der Region waren gross, die Anzahl der Beschäftigten sank von 770 im Jahr 1975, auf 331 im Jahr 1988 bis auf 234 um 1992.
In den frühen 1990er Jahren verbesserte sich die Situation für die Uhrenindustrie in der Region wieder. Heute befinden sich auf dem historischen Gelände Longines ausser der «Compagnie des Montres Longines Francillon SA» auch die Uhrenfirma «Pierre Balmain», die Gruppe «Habillage Haute Horlogerie» und die «ETA».
L. konnte den Platz als grösstes Uhrenunternehmen des Bezirks (mit 320 Angestellten 2007) trotz der Restrukturierungen aber auch dank der Integration in die Gruppe SMH (heute Swatch Group) halten.
2009 figurierte L. im Register der Weltorganisation für geistiges Eigentum als älteste noch aktive und nicht umgeänderte Marke (seit 1893). Das Firmenlogo mit der geflügelten Sanduhr und dem Schriftzug «Longines» ist seit 1867 in Verwendung und wurde 1889 beim Eidgenössischen Institut für geistiges Eigentum in Bern offiziell eingetragen. Es ist bis heute in Gebrauch.
Direktoren :
1867-1900 Ernest Francillon

Ab 20.4.1900, dreier Ko-Direktoren :
- 1900-1914 Louis Gagnebin
- 1900-1922 Baptiste Savoye
- 1900-1912 Jacques David (Nach seinem Tod wurde er durch Alfred Pfister ersetzt, der zum Prokuristen ernannt wurde.)

April 1915-1927, Dreier-Direktorenteam :
- Baptiste Savoye, Generaldirektor
- Maurice Savoye, kaufmännischer Leiter
- Alfred Pfister, technischer Leiter

1927-1949, Zweier-Direktorium :
- Alfred Pfister
- Maurice Savoye

Ab 1949, 1 Generaldirektor :
1949-1965 Maurice Savoye
1965-1968 Eugène Jeanrenaud (kaufmännischer Leiter seit 1949)
1968-1973 Frédéric Ahles
1974-1988 Manfred Laumann
1988- Walter Von Kaenel

Mitglieder des ersten Verwaltungsrates 1915 :
Baptiste Savoye, Präsident
Jean Aeschlimann, Vizepräsident
Gustave Miche, Notar in Courtelary
Eugène Francillon, Geschäftsmann in Lausanne (Bruder von Ernest, Vater von Adrien)
Maurice Savoye

Autor*in der ersten Version: Emma Chatelain, 16/02/2017

Übersetzung: Kiki Lutz, 16/02/2017

Bibliografie

Francillon & Co, fabrique des Longines Saint-Imier, [S.l.], [1900]
Le 75e anniversaire de la fondation des Longines : Récit de la fête et texte des discours prononcés pendant la manifestation officielle, illustrés de nombreuse photographies : 1867-1942,
Saint-Imier, 1946
André Francillon, Histoire de la fabrique des Longines, précédée d'un essai sur le comptoir Agassiz (préface de Bernard Gagnebin), Saint-Imier, 1947
J.-P. Chollet, « Longines », in Chronométrophilia ; Association suisse pour l'histoire de la mesure du temps, La Chaux-de-Fonds, 1981, S. 10-39
Daria Marozzi et Gianluigi Toselli, Longines, Bologna, 1990
Jacqueline Henry Bédat, Une région, une passion : l’horlogerie. Une entreprise : Longines, Saint-Imier, 1992
Chronos : spécial Longines,
Ulm, [1997]
Lucien F. Trueb, 125 ans de chronométrage Longines : l'équité dans la mesure du temps, l'élégance dans le sport, Saint-Imier, 2003
John Golberger, Longines Watches, Bologna, 2006
Laurence Marti, Une région au rythme du temps. Histoire socio-économique du Vallon de Saint-Imier et ses environs, 1700-2007, Saint-Imier, 2007
Anne Beuchat-Bessire, « Longines », in Historisches Lexikon der Schweiz [Online-Version], Stand vom 06.02.2008
L'Express/L'Impartial, 3. Oktober 2009
Pierre-Yves Donzé, Longines, du comptoir familial à la marque globale, Saint-Imier : Longines, 2012

Bildnachweis

Die Fabrik um 1910. Mémoires d'Ici (Saint-Imier), Bestand Flotron

Zitiervorschlag

Emma Chatelain, «Longines», Lexikon des Jura / Dictionnaire du Jura (DIJU), https://www.diju.ch/d/notices/detail/6105-longines, Stand: 19/04/2024.

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