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Badener Artikel

Zu den «Badener Artikeln» im Allgemeinen zitieren wir an dieser Stelle den vollständigen Artikel von François Genoud im Historischen Lexikon der Schweiz, Online-Ausgabe (Stand: 28.10.2014).

Zur spezifischen Bedeutung der B. für den Jura, s. S. 2.

Auf Anregung des Luzerners Eduard Pfyffer und des St. Gallers Gallus Jakob Baumgartner lud die liberale Luzerner Regierung am 30.12.1833 nach Baden zu einer Konferenz ein, an welcher das Verhältnis zwischen Kirche und Staat geregelt werden sollte. Eingeladen waren Abgeordnete aus den Kt., die gebietsmässig Anteil an den Diözesen Basel, St. Gallen und Chur hatten. Vom 20. bis 27.1.1834 tagten die Gesandten der Stände Bern, Luzern, St. Gallen, Solothurn, Basel-Landschaft, Aargau und Thurgau in der Bäderstadt. Keine Vertreter entsandten Zürich, Zug und Graubünden.
Die Konferenz beschloss als Erstes, den Hl. Stuhl zu ersuchen, die Diözese Basel zur Erzdiözese zu erheben. Sollte das Anliegen abgelehnt werden, behielten sich die beteiligten Stände das Recht vor, die schweiz. Diözesen einer ausländ. Erzdiözese anzuschliessen. Die übrigen 14 Beschlüsse bildeten die eigentl. B.: Sie strebten eine grössere Unabhängigkeit der Bf. vom Papst an, staatl. Einfluss bzw. gar eine staatl. Kontrolle über kirchl. Angelegenheiten, Priesterseminare und Orden, die Besteuerung der Klöster, eine Zulassung konfessionell gemischter Ehen und eine Beschränkung der (arbeitsfreien) Festtage. Entstanden unter dem Einfluss des liberalen Klerus und im Geiste des wachsenden Radikalismus als Mittel des Kampfs gegen die "kirchl. Despotie" verstanden, wurden die B. durch die päpstl. Enzyklika vom 17.5.1835 verurteilt. Zur Anwendung gelangten sie einzig in den liberalen Kt. Luzern, St. Gallen, Thurgau, Aargau, Basel-Landschaft und Zürich. Solothurn lehnte sie ab und Bern vertagte die Entscheidung. Die B. riefen v.a in den kath. Gebieten vehemente Kritik hervor, und es bildeten sich kath. Verteidigungsvereine, welche die Sache ihrer Religion bedroht sahen. Dagegen wiederum rief die aarg. Regierung 1835 in den Bez. Muri und Bremgarten zu den Waffen, und Bern tat 1836 dasselbe im Jura. In der Folge mischten sich auch ausländ. Mächte ein. Die B. markieren die zunehmende Konfessionalisierung der polit. Auseinandersetzungen in der Zeit der Regeneration, die in den Sonderbund mündeten.
Spezifische Bedeutung für den Jura:

Im katholischen Jura führten die B. zu starken politischen Spannungen. Schon im April 1835 formierte sich in den Bezirken Pruntrut, Delsberg, Freiberge und Moutier eine vehemente Gegnerschaft gegen die B. Der Klerus und der moderate Flügel der Liberalen, unter Führung von Regierungsrat Joseph François Vautrey, unterstützten diese Gegner. Mit dem Ami de la Justice, als dessen Chefredakteur der Pruntruter Vikar Jacques Spahr zeichnete, verfügten sie zudem über ein eigenes Presseorgan.
Als der Berner Grosse Rat die B. in der Sitzung vom 20. Februar 1836 gegen den Willen des Regierungsrats annahm, löste dies in den jurassischen Gebieten heftige Proteste aus: Der Ami de la Justice sprach von einem Schisma, das den Katholiken aufgezwungen würde, zahlreiche «Religionsbäume» wurden vor den Kirchen errichtet und gegen die Berner Behörden gerichtete, feindliche Slogans verbreiteten sich im Lande. Aus Angst vor einem Volksaufstand beschloss der Grosse Rat am 8. März 1836 die militärische Besetzung des Gebietes. In der Folge wurden drei Regierungsstatthalter abberufen, gegen den Pfarrer von Pruntrut und seine Vikare ergingen Haftbefehle und die Druckerei «Imprimerie catholique» in Pruntrut wurde geschlossen und versiegelt. Die katholischen Oppositionsführer wandten sich daraufhin an den französischen Botschafter, der den Berner Behörden am 30. Juni ein Ultimatum stellte: Sie sollten die Massnahmen gegen die jurassischen Gebiete innert 48 Stunden rückgängig machen, ansonsten drohte er mit einer militärischen Invasion. Am 2. Juli lenkte der Grosse Rat ein und vertagte die Anwendung seines Dekrets vom 20. Februar zugunsten von Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl. Diese fanden jedoch niemals statt und so blieben die B. im Jura nur auf dem Papier bestehen.

Autor*in der ersten Version: Emma Chatelain, 17/03/2016

Übersetzung: Kiki Lutz, 09/02/2017

Bibliografie

Benoît Girard, « Articles de Baden », in Bernard Prongué (dir.), Le canton du Jura de A à Z, Pruntrut, 1991, S. 53

Zitiervorschlag

Emma Chatelain, «Badener Artikel», Lexikon des Jura / Dictionnaire du Jura (DIJU), https://diju.ch/d/notices/detail/3758-badener-artikel, Stand: 19/04/2024.

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